Trainingslager in den USA? Der Titel ist mehrdeutig, das gebe ich zu. Auch, dass ich für einen Zeitraum von ’nur‘ 10 Tagen sicherlich ein näheres Ziel als die USA gewählt hätte. Nein, es ist so: mein Arbeitgeber hat mir in Zusammenarbeit mit unserem Systemhaus freundlicherweise ermöglicht, dass ich zum Besuch einer Messe des Herstellers unseres in der Abteilung eingesetzten CAD-Programmes für eine Woche in die USA reisen darf (Solidworks World 2014). Von uns aus betrachtet natürlich gleich noch verkehrstechnisch in die am schnellsten zu erreichende Ecke, ganz im Südwesten – San Diego. Ich will mich darüber nicht beschweren, wahrlich nicht. Aber es bedeutet neben über elf Stunden Flug und mindestens zwei weiteren Stunden im Auto zudem noch einen Zeitunterschied von neun Stunden. Trainieren möchte ich dort dennoch, eine ideale Möglichkeit, die vor ewigen Zeiten versprochene Serie der Trainings-Snapshots wieder aufleben zu lassen.
Ein langer Tag
Zuhause, 6:00h – (wach: 00:00h)
Der Wecker klingelt. Später als üblich. Viel fitter fühle ich mich dennoch nicht. Schön, dass die Abflugzeit es heute ermöglicht, mit der gesamten Familie zu frühstücken, anstatt es zu erfordern, sich mitten in der Nacht aus dem Haus zu schleichen. So wie man es von Urlaubs-Charterflügen kennt, ist es bei Linienflügen dann halt doch nicht.
Etwas über eineinhalb Stunden später ist die Familie verabschiedet, sind die Koffer im Auto verstaut und es geht Richtung Frankfurter Flughafen.
Den Verkehr am Freitagmorgen doch etwas unterschätzend finde ich trotzdem noch rechtzeitig einen Parkplatz um meinen Bus zu erwischen, der mich das letzte Stück von Dreieich-Buchschlag an den Flughafen bringt. Wer die Gebühren in den Parkhäusern am Airport kennt, der weiß den Preis von derzeit €1,90 für die Fahrt im Bus zu schätzen, auch wenn es die Anreise um 20 Minuten verlängert.
Flughafen Frankfurt, 9:06h – (03:06h)
Dank Online-Check-In bin ich bereits im Besitz meiner Bordkarte und muss nur noch meinen Koffer abgeben. Hierfür stehen ausreichend Schalter zur Verfügung, zudem ist kaum etwas los und somit ist fünf Minuten später bereits alles erledigt. Ich treffe meinen Ansprechpartner unseres Systemhauses und wir machen uns auf den Weg durch die ganzen Kontrollen.
So ziemlich das erste Mal in den vergangenen Jahren piepst es bei mir nicht, als ich durch den Scanner laufe, dafür findet sich ein vergessener Flaschenöffner in meinem Handgepäck, an den nach dem letzten Urlaub keiner mehr gedacht hat. Da dieser aber keine Gefahr darstellt, darf er mit in die USA. Wenigstens habe ich jetzt dort kein Problem mit verkorkten Getränkeflaschen.
EDDF/FRA Gate Z52, 9:35h – (03:35h)
Am Gate steigt die Anzahl der Mitarbeiter unseres Systemhauses und des Softwareherstellers sprunghaft an. Erste Gerüchte werden laut, dass die Maschine (immerhin eine Boeing 747-8i) zum Großteil von einigen wenigen Firmen besetzt sein dürfte. Wenn ich mir die Anzahl der Namen der letzten Minuten vor Augen halte, kommt mir der Gedanke gar nicht so abwegig vor. Ich versuche, mir wenigstens die Gesichter zu merken. Kurze Zeit später beginnt bereits das Boarding für den Flug in die USA. Zugegeben – man schaut schon etwas neidisch von der langen Economy-Schlange zu den Herrschaften, die First- und Business-Class fliegen, sind diese doch in kürzester Zeit in der Gangway verschwunden. Kurze Zeit darauf betrete auch ich die Boeing 747 der Lufthansa. Das erste Mal bin ich als Passagier in einer 747, bislang habe ich diese immer nur im Rahmen von Schulausflügen in der Wartungshalle betreten. Nur ein paar Minuten später habe ich alles verstaut und meinen Platz am Fenster eingenommen. Sehr angenehm: der Mittelplatz ist freigeblieben, so muss ich nur eine Person stören, um aufzustehen und man hat etwas mehr Platz.
An Bord des Flugs LH456 FRA-LAX, 10:46h – (04:46h)
Start frei auf der Piste 25C. Vier Motoren dröhnen und träge setzt sich die Maschine in Bewegung, nimmt mehr und mehr Geschwindigkeit auf und schafft es am Ende doch noch in die Luft, bevor wir auf die Startbahn West hätten abbiegen müssen.
Über die Abflugroute NOMAD geht es in Richtung Norden. Moment mal, Norden? Liegt Amerika nicht im Westen? Die Antwort lautet: doch, schon. Aber bekanntermaßen ist die Erde nicht so flach, wie es in einem Atlas (bzw. für die, die Atlanten nicht mehr kennen: das war Google Maps als Buch, für Euch gilt: auf Google Maps auf dem Flachbildschirm) den Anschein hat, sondern im weitesten Sinne eine Kugel. Daher ist die Strecke Richtung Norden gar nicht so verkehrt.
Falls sich jemand für die Streckenführung interessiert, hier ist die passende gpx-Datei dazu, ich habe extra für Euch mitgeloggt. ;)
[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“http://tri-mage.com/wp-content/uploads/2014/02/FRA-LAX_2014-01-24.gpx“]
An Sylt vorbei fliegen wir weiter Richtung Schottland, Island, dann über Grönland hinüber. Das GPS zeigt zwischendurch satte 71° Nord, das ist schon ganz ordentlich und reicht zudem für ein paar anständige Eisberge und Eisflächen/-schollen im Meer. Weiterhin hat es den Vorteil, dass der Tag durch die geografische Position permanent über einen Dämmerzustand nicht hinauskommt. Mehr als ein bisschen dösen geht aber dennoch nicht im Flieger.
Die weitere Strecke reicht nach Grönland bis tief in Canadas Norden hinein, bevor es wieder stärker in Richtung Süden geht. Zwischendurch geht mal wieder die Sonne auf, bzw. wird die 747 mal wieder von ein paar Sonnenstrahlen angeleuchtet.
Über Canadas Norden ist das Wetter wolkenlos und man kann ewig weite Schneeflächen bestaunen. Von flachen Seenlandschaften bis hin zu interessanten Gebirgsformationen wird alles geboten, so wird es nicht langweilig, aus dem Fenster zu schauen.
Später wird der Schnee dann langsam weniger, immer mehr bräunliche Stellen kommen durch, aber es dauert bis kurz nach Salt Lake City, bis aller Reste verschwunden sind und die gelblichbraune Färbung der Gegend überwiegt. Kurz vor LA wird es dann wolkiger, so dass unter anderem der Blick auf Las Vegas verwehrt bleibt. Erst kurz vor der Landung lohnt es sich wieder, aus dem Fenster zu schauen. Das Häusermeer von LA erstreckt sich bis zum Horizont, wo die Berge wieder urplötzlich aus der Ebene aufragen.
Im Endanflug entdecke ich dank maximaler Zoomstufe des Fotoapparates sogar den Hollywoodschriftzug weit entfernt am Hang. Es ist unglaublich, wie groß und weitläufig LA ist – gehört ja schließlich alles zu ein und derselben Stadt.
Flughafen Los Angeles, 12:50h PST – (15:50h)
Wir haben unsere Koffer bekommen und auch das Abenteuer Immigration/Border Control überstanden. Was hier jemand macht, der kein Englisch spricht, ist mir schleierhaft. Ich glaube nicht, dass die Angestellten noch weitere Sprachen sprechen, die Fragen der Immigration Officer soll man aber tunlichst beantworten, wahrheitsgemäß und zügig, es gibt ja noch mehr die in die USA wollen – zumindest vermitteln sie einem mit ihrer Art genau diesen Eindruck.
Interessant am Rande: die Amis regeln ja alles bis ins Detail, warnen vor allem und jedem und haben überall Hinweisschilder. Vorbeugung und Gesundheitsprävention wird riesengroß geschrieben (z.B. auf den Toiletten alles berührungslos): der Beamte hat Gummihandschuhe an, da er ja tagtäglich hunderte von fremden Reisepässen anpatschen muss. Auf die Idee, die Scheibe des Gerätes zum Einlesen der Fingerabdrücke auch ab und an mal mit einem Tuch abzuwischen und/oder zu desinfizieren, kommt hingegen keiner…
Auf dem Weg Richtung San Diego, 15:40h PST (18:40h)
Wir haben unsere Autos am Flughafen übernommen und kämpfen uns durch den Verkehr von LA in Richtung Süden. Den Verkehrsplanern und unserer Fahrzeugbelegung sei Dank kommen wir in den Genuss der Carpool-Lanes, die für Fahrzeuge mit 2 oder mehr Passagieren reserviert sind. Da das unrechtmäßige Befahren mit recht drastischen Strafen belegt ist, wird sich auch daran gehalten. Das macht einem erstmal bewusst, wie viele Leute alleine im Auto unterwegs sind. Ob sich die Sperrung der linken Spur als Carpool-Lane in Deutschland durchsetzen ließe, wage ich zu bezweifeln. Auf der anderen Seite – wenn wir so wie in den USA den Platz für 5-6 Fahrspuren in einer Richtung hätten, würde vielleicht auch eine derartige Spur nicht weiter ins Gewicht fallen…
Gegen 17:00h PST (20:00h) machen wir einen Zwischenstopp in Oceanside, um uns ein wenig die Beine zu vertreten und eine Kleinigkeit zu essen (selbstverständlich frischer Fisch). Ganz dem Klischee von der kalifornischen Pazifikküste entsprechend dürfen natürlich auch ein paar Surfer im Wasser nicht fehlen.
Nicht lange darauf sind wir dann endlich in San Diego im Hotel. Da aber die allgemeine Parole zur Vermeidung der Jetlag-Nebeneffekte lautete, nicht vor 22h ins Bett zu gehen, treffen wir uns kurz nach dem Beziehen der Zimmer schon wieder, um die umliegenden Lokalitäten einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Tatsächlich haben wir dann noch bis ca. 22h durchgehalten.
Im Bett bin ich dann endlich gegen 22:45h (Pacific Standard Time), d.h. ich war seit fast 26h wach. Interessanterweise fühle ich mich nicht einmal sonderlich müde. Nach gefühlt relativ kurzem Schlaf werde ich sogar schon gegen 5h morgens wieder munter – war wohl doch nicht so die bestfunktionierende Idee mit der Jetlag-Prävention.
Doch kein Training in den USA?
Der nächste Tag ist vollgestopft mit Shopping, Sightseeing und geschäftlichen Terminen, so dass ich – vom Kauf neuer Laufschuhe mal abgesehen (Nike Lunarglide+ 5, Kurzbericht folgt sicherlich auch noch) – nicht dazu komme, irgendetwas Sportbezogenes zu betreiben. Aber ich nehme mir vor, am nächsten Morgen die Gelegenheit zu nutzen und nach dem Aufwachen gleich Laufen zu gehen. Tatsächlich bin ich wieder gegen 5h morgens wach und beschließe, mit dem Sonnenaufgang laufen zu gehen. Details und Bilder folgen in einem separaten Bericht im Rahmen der Trainings-Snapshots in den nächsten Tagen.
Leider wird dieser Lauf der einzige während der 10 Tage in den USA bleiben. Zumindest der einzige schnelle Lauf. Tatsächlich war ich noch mehrfach zu Fuß in der Stadt unterwegs um Bilder zu machen und ein paar Geocaches zu suchen. Diese Trips umfassten teilweise Distanzen bis zu 15km am Stück. Insofern lässt sich die Frage nach dem Training in den USA von der sportlichen Seite gesehen dergestalt beantworten, dass ich tatsächlich ein paar Mal laufen gegangen bin. Im Rahmen dieser Geschäftsreise war das sicherlich auch das Maximum, das sich mit den anderen Verpflichtungen (z.B. der Messe und dem zugehörigen Softwaretraining) vereinbaren ließ. Lust auf mehr hat das Training in San Diego aber definitiv gemacht. Wann ich allerdings das nächste Mal (zum trainieren) nach San Diego, bzw. in die USA fliegen werde, steht allerdings noch in den Sternen. Die Solidworks World 2015 findet im nächsten Jahr in Phoenix/Arizona statt. Ich hätte gegen eine erneute Teilnahme nichts einzuwenden.