Am 27.10.2013 war es endlich soweit: ich habe meinen ersten Marathon ‚gefinished‘ und zugleich noch mein Projekt 42/42 erfolgreich abgeschlossen!
Diejenigen, die damit nicht soviel anfangen können, dürfen sich gerne auf der Projektseite informieren, oder einfach meinen Laufbericht weiterlesen, denn da seit Mitte letzten Jahres hier im Blog nichts mehr passiert ist, sollte ich ohnehin ein wenig detaillierter beschreiben, warum ich nun ausgerechnet beim BMW Frankfurt Marathon gestartet bin…
Die Geburt des ‚Projekt 42/42‘
Alles fing damit an, dass ich Ende Oktober 2012 die Übertragung des Marathons in Frankfurt im Fernsehen sah und ich – meinen 41. Geburtstag vor Augen – mir überlegte, dass 42 absolvierte Laufkilometer zu meinem 42. Geburtstag doch eine feine Sache wären. Immerhin hatte ich ein Jahr Zeit, die mit einer Teilnahme einhergehenden Umstände (Lauftraining, Anmeldung, Gewichtsreduktion, etc.) rechtzeitig zu planen und entsprechend umzusetzen. Wer mich kennt weiß, dass ich solche Ideen gerne gleich als Projekt deklariere und daher ist es nicht verwunderlich, dass innerhalb kürzester Zeit das „Projekt 42/42“ entstanden war. 42km Laufdistanz rechtzeitig kurz vor oder am 42. Geburtstag.
Kurze Zeit später war auf der Veranstalterseite auch der Termin für die 2013er Ausgabe des BMW Frankfurt Marathon zu erfahren: der 27.10.2013 – 3 Tage vor meinem Geburtstag – das lag definitiv innerhalb der Toleranz und schien zudem den Vorteil zu haben, trotz der zu erwartenden körperlichen Beeinträchtigungen im Anschluss an die Teilnahme, einigermaßen schmerzfrei mit meinen Gästen feiern zu können. Das Projekt war geboren, die Entscheidung gefallen, jetzt ging es an die Umsetzung.
Auf zum Marathon
Die Streckenkarte der 42,195km durch Frankfurt war im ersten Moment schon ein wenig Respekt einflößend. Genau genommen blieb sie das sogar relativ lange und verlor erst etwas von ihrem Schrecken, als ich im Training das erste Mal über 20km gelaufen bin. Dennoch habe ich sie mir zur Motivation direkt an meine Wand im Büro gehängt.
Interessanterweise haben sich dadurch sehr schnell ganz neue Entwicklungen ergeben, denn nachdem mein Plan einen Marathon zu laufen in der Abteilung bekannt wurde, fand sich schnell der ebenfalls laufende Kollege Kai S. (Name der Redaktion bekannt) als potentieller Mitstreiter, den es nur noch final zu überzeugen galt. Dies gelang mir schließlich durch die Zusendung des Screenshots meiner Anmeldung zum BMW Frankfurt Marathon 2013, die ich kurz vor Jahresende noch vornahm, sozusagen als „guter Vorsatz für das neue Jahr“. Im Nachhinein betrachtet, war es sicherlich gut, dass wir uns beide angemeldet hatten, da man sich so gegenseitig immer wieder zum Training motivieren konnte. Weiterhin haben wir uns auch mehrfach hinsichtlich etwaiger Bedenken in Bezug auf den Marathon besprochen und haben unsere Trainingseinheiten verglichen und sind gemeinsam bei Vorbereitungswettkämpfen gestartet. Wir wurden außerdem das Jahr über noch von unserer Kollegin Natascha L. (Name der Redaktion bekannt) kräftig unterstützt, die zwar nicht am Marathon teilnehmen würde, ihre eigenen Laufleistungen aber innerhalb des Jahres bis zur Halbmarathondistanz gesteigert hat! So war eigentlich immer gewährleistet, dass man seinen inneren Schweinehund abends gar nicht erst zu Wort kommen ließ und sich auf seine Trainingsrunde(n) gemacht hat.
Mit den ganzen Trainingseinheiten von Januar bis Oktober möchte ich jetzt aber niemanden langweilen. Wen es interessiert, was ich wann, wo und wie trainiert habe, darf gerne auf meiner Seite im Trainingstagebuch nachsehen und sich meine teils kryptischen, häufig jammernden und hin und wieder fröhlichen Kommentare durchlesen oder kann sich ganz einfach die Trainingspläne von Steffny durchlesen, denn die habe ich als Grundlage für mein Training genommen.
Nur so viel an dieser Stelle: dieses Jahr bin ich bereits über 620km gelaufen und das übertrifft meine bisherigen Jahresbestleistungen bei weitem!
BMW Frankfurt Marathon
Irgendwann war er dann da: der Tag auf den ich hin trainiert hatte, für den ich mich in der schönsten Sommerhitze kilometerweit durch das Dieburger Umland gequält habe. Der Tag, für den ich im strömenden Regen Runde um Runde gelaufen bin und geflissentlich meinen inneren Schweinehund ignoriert habe, der am Ende jeder Runde meinte, man könne jetzt ja eigentlich auch reingehen. Der Tag, drei Tage vor meinem 42. Geburtstag, der Tag des BMW Frankfurt Marathon 2013, der 27. Oktober 2013.
Eigentlich müsste ich schon mit den Erlebnissen am Tag zuvor beginnen, von diesem Tag zu erzählen, denn Kai und ich sind bereits am Samstag nach Frankfurt gefahren, um unsere Startunterlagen abzuholen, unsere Pasta auf der Nudelparty zu essen und dabei schon einmal das Ziel des darauffolgenden Tages in Augenschein zu nehmen. Ganz ehrlich, ich schaute etwas ehrfürchtig auf den Torbogen, der das Ende der 42km langen Strecke markierte und konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass ich da am nächsten Tag tatsächlich durchlaufen würde.
Über die Marathon Mall zu schlendern, die einer kompletten Laufsport-Messe glich, war fast schon als Informations-Overkill zu werten. Was auch immer das Läuferherz begehrte – hier gab es für alles einen Verkaufsstand, entsprechende Messerabatte inbegriffen.
Es war meiner Aufregung und Vorfreude auf den Lauf zuzuschreiben, dass ich lediglich mit einem neuen Gurt für meine Laufverpflegung am nächsten Tag nach Hause fuhr. Für das nächste Jahr ist – unabhängig von einer Teilnahme am Marathon – der Besuch der Messe zu Einkaufszwecken und dem Bezug mehr oder weniger dringend benötigter Laufsportartikel bereits fest eingeplant. Ein wahres Wertheim-Village für Laufsport-Begeisterte!
27.10.2013 – 8:35h – Frühstück
Ich war am Binden meiner Schuhe, als das Telefon klingelte – Kai wartete bereits mit Laufkollege Peter M. (Name der Redaktion bekannt) vor der Tür. Ich schnappte meinen Beutel, verabschiedete mich von der Familie, die nochmal viel Kraft wünschte (Glück würde mir nicht viel nützen) und lief zum Auto.
9:45h – Start minus 1h
Der Ernährungsplan empfahl, eine Stunde vor dem Lauf nochmals einen Riegel zu sich zu nehmen, also mampfte ich eines dieser klebrig-süßen Dinger in mich hinein, obwohl ich eigentlich nicht wirklich hungrig war. Wir beschlossen anschließend, unsere Kleiderbeutel abzugeben und sicherheitshalber nochmals die Toiletten aufzusuchen. Die Abgabe war kein Problem, die Aufbewahrungsbereiche waren nach Startnummern unterteilt und nachdem man seinen Startnummernbereich gefunden hatte konnte man seinen Beutel einfach einem Helfer in die Hand drücken.
Toilettenbesuch war ein Erlebnis. Man ist ja gewohnt, dass auf Großveranstaltungen vor den Damentoiletten lange Schlangen entstehen – an diesem Tag existierten vor den Herrentoiletten jedoch eindeutig die längeren Schlangen. Glücklicherweise schien den meisten Läufern der Weg in die hinteren Hallenbereiche zu weit, obwohl die Distanz im Vergleich zu der später zu absolvierenden geradezu lachhaft gering war und so fanden sich doch noch Toiletten ohne große Wartezeiten.
10:15h – Startplatzsuche
Wir beschlossen, uns nach draußen in Richtung der Startblöcke zu begeben. Der Start von Kais Block war für 10:37h angesetzt, Peter und ich starteten bedingt durch unsere zurückhaltend kalkulierte Gesamtzeitangabe aus dem letzten Startblock (Startblock „Festhalle“) und waren somit für den Start um 10:45h vorgesehen. Kaum waren wir aus dem schützenden Gebäude heraus, blies uns der starke Wind um die Nase und ließ erahnen, was heute auf uns zukommen würde. Das leichte Frösteln wurde nicht vollständig von der Vorfreude und Aufregung kompensiert, insgesamt waren die Temperaturen aber dennoch erträglich.
Ich war eigentlich der Meinung, dass ich bereits genügend Wettkämpfe mitgemacht habe, um eigentlich nicht mehr aufgeregt sein zu müssen. Ich wollte heute schließlich einfach nur im Ziel ankommen. Dennoch habe ich das, was um uns herum passierte nur noch am Rande mitbekommen. Die gesamte Atmosphäre zog einen dann doch irgendwie in ihren Bann.
Irgendwo zu unserer Rechten peitschte ein Sprecher die Zuschauer und Athleten an, sehen konnte man nichts, es waren einfach zu viele Leute rundherum.
Der Hubschrauber für die Luftbilder hatte zwischen den Hochhäusern mächtig mit dem starken Wind zu kämpfen, die Wolkenfetzen flogen nur so dahin.
Wolfgang (AK70) lief heute seinen 35. Marathon und hat für nächstes Jahr schon einen rausgesucht, wo er dann in der AK75 Chancen auf die Podiumsplätze hat.
Die Pacemaker mit ihren Luftballons für 4h29 und 4h59 standen noch ganz schön dicht beisammen.
Wann geht’s loooos?!?
10:42h – Bewegung vorne
Es tat sich etwas – Bewegung in den vorderen Reihen, wir bewegten uns in Richtung des Starts. Eine Stimme aus dem Publikum rief meinen Namen – ein suchender Blick zur Seite, ein ehemaliger Kollege, selbst Triathlet, war zum Anfeuern gekommen. Zusätzliche Motivation, kurz vor dem Start!
Der Startbereich kam in Sicht, die Menge zählte die Sekunden bis zum Startschuss für unsere Welle herunter, es war der Wahnsinn. Den Schuss selbst bekam ich nicht mit. Ich fiel in einen leichten Trab, startete die Polar für die ich auf der Marathon-Mall glücklicherweise noch ein neues Armband bekommen hatte und überquerte die Zeitmessmatte um exakt
10:45:39 – Start (00:00:00)
Es war zwar relativ voll, aber wenn man bereits ein paar mal bei 70.000 Läufern beim JPMorgan-Chase-Lauf mitgemacht hat, stellte einen die Läuferdichte beim Marathon vor keine nennenswerten Probleme, das eigene Tempo zu finden und rechtzeitig anderen Läufern auszuweichen.
Peter und ich liefen ziemlich dicht beieinander, hatten dasselbe Tempo. Wie sich im Laufe des Tages herausstellen sollte, hatten wir das 42,195km lang.
Die ersten Kilometer flogen nur so vorbei. Unzählige Leute an der Strecke feuerten auch den letzten Startblock noch an, an fast jeder Ecke spielte irgendeine Band oder ein Musikstand. Ich drückte zwar bei jedem Kilometer fleißig auf meiner Polar die Taste für die Zwischenzeit, jedoch nur, um die Pace zu kontrollieren und an Peter neben mir weiterzugeben. Das Gefühl, gerade erst losgelaufen zu sein, blieb. Zwar wurde die allgemeine Euphorie zwischen Kilometer 4 und 5 kurzzeitig gedämpft, als wir an einem querstehenden Krankenwagen und einem Sichtschutz vorbeiliefen, hinter dem Notärzte um das Leben eines Läufers rangen (ich hoffe, es ist alles gut ausgegangen), aber das wurde schnell wieder verdrängt.
11:17:09 – km 5 (00:31:30)
Kilometer 5 flog ziemlich unbemerkt irgendwo auf der Bockenheimer Landstraße an mir vorbei. Klar, es piepste beim Überlaufen der Zeiterfassung, aber ansonsten passierte noch so viel anderes rundherum, war man noch so sehr in dieser allgemeinen Euphorie, dass man es nicht wirklich registrierte. Erst bei Kilometer 8-9 fing ich an, mehr in mich hinein zu hören, die Kilometer ab jetzt bewusster wahrzunehmen, mir Gedanken über den weiteren Verlauf des Rennens zu machen. Das hing unter anderem damit zusammen, dass bei Kilometer 10 die erste Verpflegungsstelle kam und ich vor hatte, bereits hier das erste Gel zu mir zu nehmen. Daher achtete ich etwas genauer auf die Kilometermarkierungen.
Mittlerweile hatten Peter und ich zu einem der 4h29-Hasen (Pacemaker) aufgeschlossen und liefen dort mit. Etwas verwundert waren wir über die doch recht schnellen Kilometerzeiten von ihm, aber da die Abweichung nicht allzu groß war, machte ich mir vorerst keine weiteren Gedanken darüber.
11:48:14 – km 10 (01:02:34)
Nachdem ich die Verpflegungsstelle durchlaufen hatte, kam zu dem permanent mehr oder weniger vorhandenen Wind auch noch einsetzender Regen hinzu, der sich schnell zu einem ordentlichen Schauer verstärkte. Ich war froh, mich morgens doch für das Laufen mit Kappe entschieden zu haben, so war es wenigstens im Gesicht (und vor allem auf der Brille) nicht zu unangenehm, durch den Regen zu laufen.
Mittlerweile ging es bergab in Richtung Eschenheimer Tor, anschließend auf der Bleichstraße an der ersten Wechselstelle für die Staffelläufer vorbei zur Friedberger Landstraße in Richtung Konstablerwache. Von dort dann in Richtung Main und das erste Mal auf der Alten Brücke über ihn hinweg auf die Sachsenhäuser Seite und den Schaumainkai.
Unser Tempo (und das des Pacemakers) war mit einer Pace von rund 6min/km etwas arg flott. Das fand nicht nur ich, sondern rundum auch einige andere Läufer. Bei konstanter Geschwindigkeit über die gesamte Distanz wäre eine Pace von 6:24min/km für eine Zeit unter 4:30:00 ausreichend gewesen. Ich versuchte zwar, mich etwas zu bremsen, aber unter 6:14min/km schaffte ich es nicht wirklich und blieb etwas zu schnell.
12:18:35 – km 15 (01:32:56)
Über die Kennedyallee ging es nun in Richtung Niederrad. So langsam führte uns die Strecke aus Frankfurt heraus und die Zuschauerzahlen nahmen unterwegs merklich ab, aber das war durch die Streckenführung bedingt. Innerhalb Niederrads waren dann wieder mehr Leute an der Strecke. Sehr motivierend war es übrigens auch, die Unterhaltungen manch anderer (marathonerfahrenerer) Teilnehmer mitzubekommen, wenn solche Sätze fielen wie: „jetzt gehts raus Richtung Niederrad, da bekomme ich meist mein erstes Tief…“ oder: „ab jetzt wird es langweiliger“. Da war es gut, dass das Feld inzwischen weit genug auseinander gezogen war und man sich ohne Probleme ein paar Schritte außer Hörweite bringen konnte. Bei meinem ersten Marathon wollte ich solche Sätze nicht unbedingt mitbekommen, da ich auch nicht wusste, ob und wie sich so etwas auf meine eigene Motivation und/oder mein Durchhaltevermögen auswirken würde.
So langsam näherte ich mich der 20km Marke und somit auch der Hälfte der Strecke, zuvor ginge es im Industriegebiet in Niederrad noch an der zweiten Wechselstelle der Staffelläufer vorbei. An diesen Stellen vorbeizulaufen war immer mit einem gewissen Stolz verbunden, da ich hier nicht aufhören oder erst beginnen würde und ich die Gesamtdistanz und nicht nur einen Bruchteil dessen absolvieren würde. Ohnehin schafften die Staffelläufer es sehr schnell, sich jeglichen Funken Akzeptanz bei mir zu verspielen. Die frisch eingewechselten Läufer preschten teilweise in einem Tempo und vor allem dermaßen einer Rücksichtslosigkeit an einem vorbei, dass einem jegliches Verständnis für diese Form der Teilnahme am Frankfurt Marathon verging.
Bei km 19 habe ich dann wieder zu Peter aufgeschlossen, der zwischenzeitlich etwas flotter unterwegs gewesen war und dessen Tempo ich zu dem Zeitpunkt nicht mitgehen wollte. Ich wusste nicht, wie es hinten heraus werden würde, es fehlte einfach die Erfahrung ab km 35 und ich wollte nicht riskieren, irgendwann komplett einzubrechen und meinen ersten Marathon abbrechen zu müssen.
12:50:18 – km 20 (02:04:39)
Bei km 20 gab es das erste mal Gels an den Verpflegungsstellen und ich nutzte die Gelegenheit, um an dieser Stelle gleich zwei Gelpäckchen zu mir zu nehmen. Fast die halbe Distanz, da kann man ruhig mal einen Energieschub vertragen dachte ich mir. Zwar waren die High5-Dinger flüssiger, als die PowerGels, die ich ansonsten dabei hatte, aber sie mit entsprechend Flüssigkeit hinunterzuspülen war auch bei diesem Hersteller die richtige Entscheidung. Das, was von dem Zeug nämlich an die Finger kam, bappte genauso fürchterlich, wie die PowerGels.
12:57:41 – km 21,1 Halbmarathon (02:12:02)
Rund drei Minuten lagen wir bei der Halbmarathondistanz vor der Marschtabelle für 4h30, die auf eine konstante Pace von 6:24min/km ausgelegt war. Insgesamt fühlte ich mich noch recht gut. Natürlich merkte ich inzwischen, dass mehr als 21km hinter mir lagen, aber trotz des weiterhin recht flotten Tempos hielt sich die Erschöpfung in Grenzen. An einem Stand hörten wir die Übertragung der Moderation aus der Festhalle. Gerade war das Geschwisterpaar Anna und Lisa Hahner als beste deutsche Läuferinnen ins Ziel gekommen. Respekt, wir hatten die zweite Hälfte der Strecke noch vor uns.
Erste Gedanken im Kopf begannen darum zu kreisen, dass man jetzt erst 21km… und nochmal diesselbe Strecke wie soeben absolviert… Ich musste mich ablenken. Diese Art von Gedanken waren nicht gut für die Motivation. Ein paar Scherze mit Peter, dass der Trend zum direkt absovierten Zweit-Halbmarathon ginge, schon waren die eventuell aufkeimenden negativen Gedanken wieder in ihre Schublade zurückgedrängt.
Wir überholten eine Läuferin mit Finisher-Shirt vom Rennsteiglauf. 72,7km! Wahnsinn. Wer tut sich sowas an? Die Nachfrage ergab: die Trägerin zum Beispiel hatte sich das angetan. Zielzeit: 12 Stunden! Aber geschafft. Krass. Dann sollte doch so ein lächerlicher Marathon dicke zu schaffen sein…
Kurz vor Kilometer 25 ging es wieder auf die andere Seite des Mains. Mein ehemaliger Kollege Christian K. (Name der Redaktion bekannt) war auch wieder zur Stelle. Er hatte zwischenzeitlich den Standort gewechselt und lief kurze Zeit neben uns her, um Photos zu machen und uns anzufeuern. Der Wind auf der Auffahrt zur Brücke war extrem, auf der Brücke blies er uns zum Glück in den Rücken. So könnte das eine Weile bleiben wünschte ich mir, doch es sollte beim Wunsch bleiben, denn schon kurze Zeit später mussten wir uns wieder gegen den Wind behaupten, der uns entweder direkt ins Gesicht blies oder uns von der Seite die Blätter um die Nase wehte.
13:22:17 – km 25 (02:36:38)
Nach Kilometer 25 wurde es langsam anstrengender. Alles noch erträglich, aber so langsam merkte ich einfach, dass ich bereits über 2,5 Stunden unterwegs war. Ein wenig lenkte mich zu diesem Zeitpunkt noch ab, dass während der nächsten Kilometer die Supportcrew auf mich wartete, um mich anzufeuern. Daher war ich damit beschäftigt, öfter mal einen Blick in die Zuschauergrüppchen am Rand der Strecke zu werfen. Kurz vor Kilometer 27 standen sie dann. Meine Eltern, mein Bruder und dessen Freundin standen an einer strategisch günstigen Stelle, an der sie mich gleich zweimal sehen konnten, da die Strecke ca. einen Kilometer später an derselben Stelle wieder vorbeiführte. Mir hat in diesem Moment bei Kilometer 28 die Aufmunterung richtig gut getan. Bis zur nächsten Verpflegungsstelle und Zwischenzeit bei Kilometer 30 half die Freude über die familiäre Unterstützung über die mittlerweile immer deutlicher spürbare Anstrengung hinweg.
13:54:22 – km 30 (03:08:42)
Kurz hinter Kilometer 30 bog die Strecke auf die Mainzer Landstraße ab und nachdem die dortige Verpflegungsstelle passiert war und ich nach dieser Ablenkung wieder in meinen Laufrhythmus gefunden hatte, kam mir das Bild der Streckenführung in den Sinn. Diese auf dem Papier so lange Gerade, die fast 5km nur geradeaus führte. In Verbindung mit der Tatsache, dass hier nicht sehr viele Zuschauer an der Strecke standen, begann ich automatisch, mehr in mich hinein zu hören, zu fühlen, mir Gedanken zu machen. Um mich zu motivieren, versuchte ich alle möglichen Dinge. Angefangen von der einfachen Rückwärtsrechnung (es sind nur noch 10km), über den Versuch, die verbleibenden Strecken in Abschnitte meiner Trainingsläufe umzusetzen (jetzt vom Oberwaldhaus aus nur noch nach Hause), bis hin zur Visualisierung, zum Abrufen meiner Motivationsbilder, von denen ich wusste, dass sie mir Kraft geben, mich in eine positive Stimmung bringen können, die einem Adrenalin-, Endorphin- oder sonst irgendeinem Botenstoff-Schub ähnelt. Interessant war, dass genau das Bild, was mir auf langen Trainingseinheiten oder bei anderen Wettkämpfen am besten geholfen hatte – die Vorstellung, nach den 42 Kilometern des Marathon in die Festhalle einzulaufen – hier irgendwie nicht so richtig funktionieren wollte. Dafür halfen sehr emotionale, viel privatere Bilder wesentlich besser, mich zu motivieren, meine Entschlossenheit, das Ziel auf alle Fälle zu erreichen, zu festigen.
14:28:03 – km 35 (03:42:23)
Dennoch war es hart. Der Wunsch, mit dem Laufen aufzuhören war permanent da. Ich sehnte mich nach der nächsten Verpflegungsstelle, um währenddessen wieder ein paar Schritte gehen zu können, so wie wir es bislang an jeder Verpflegungsstelle getan hatten. Kaum am Schild zu Kilometer 35 vorbeigekommen, suchten die Augen nach dem Schild, das den Beginn des Verpflegungsbereichs ankündigt, aber es wollte und wollte sich einfach nicht zeigen. Meter um Meter legte ich zurück, es war eine reine Kopfsache, jetzt noch weiterzulaufen und nicht vorher schon das Gehen anzufangen.
Es war ja nicht so, dass irgendetwas über Gebühr schmerzte. Interessanterweise hatte ich weder Schmerzen in den Knien noch in den Hüften, wie noch im Training ein paar Wochen zuvor. Es war vielmehr eine allgemeine Erschöpfung, die sich logischerweise nach fast vier Stunden Sport einstellen musste. Ich wusste, dass ich doch einfach anfangen könnte zu gehen und wollte es im selben Moment aber unter keinen Umständen tun.
Kurz vor Kilometer 36 kam dann endlich die so sehr herbeigesehnte Getränkestelle und ich konnte endlich wieder ein paar Schritte langsam machen. Die unbekannte junge Helferin am Getränkestand, die mir in diesem Moment den Wasserbecher reichte, schaute auf meine Startnummer, lächelte mich an und sagte nur „Du packst das, Ralf!“. Ich hätte sie in diesem Moment für diese vier Worte am liebsten geknutscht. Ein Gel, eine Apfelschorle, ein paar Schluck Cola und schon war die Verpflegungsstelle vorbei und ich begann wieder zu laufen. Mittlerweile war ich wieder in Frankfurts City angekommen und es waren nur noch sechs Kilometer, die mich von der Ziellinie trennten. Die mussten doch zu schaffen sein. Im Vergleich zu dem Zeitpunkt, als wir aus der Stadt herausliefen, waren wesentlich weniger Zuschauer an der Strecke, aber an manchen Stellen war immer noch viel los. An der Alten Oper war noch Stimmung und auch am Spendentor an der Hauptwache bei Kilometer waren noch viele Zuschauer an der Strecke. Ehrensache, hier das zweite mal durch das Tor zu laufen! Die Zuschauer und das Wissen, dass man es bald geschafft haben würde, halfen sehr das Tief, das die letzten Kilometer geprägt hatte, zu beenden und mich wieder für die letzten Kilometer zu motivieren.
15:02:56 – km 40 (04:17:16)
Kilometer 40 – auf der Fressgass‘. Nur noch knapp über 2km bis ins Ziel. Die Kraft, in die Kameras vom Videopoint zu lächeln oder zu winken hatte ich nicht mehr, aber ich wusste jetzt, dass ich es bis ins Ziel schaffen würde. Trotz der Müdigkeit in den Beinen. Trotz des Windes, der nach wie vor um die Häuser fegte.
Die Strecke die Mainzer Landstraße hinunter war schneller vorbei, als ich gedacht hatte und schon bog ich auf die Friedrich-Ebert-Anlage ein, die mich wieder zur Festhalle zurück führen sollte. Zu meiner Überraschung hatten es meine Eltern noch vor die Festhalle geschafft und feuerten mich auf den letzten Metern noch einmal an.
Kurz darauf durchquerte ich den Startbogen, durch den ich knapp viereinhalb Stunden zuvor in den Frankfurt Marathon gestartet war und lief am real existierenden Mann mit dem Hammer vorbei, der mir auf der Laufstrecke zum Glück erspart geblieben war. Als ich jedoch um die Ecke des Messeturms bog, um die letzten Meter zur Festhalle zurück zu legen hatte ich das Gefühl, er hätte mich doch noch erwischt. Der Gegenwind, der mir plötzlich ins Gesicht blies war derart stark, dass ich den Eindruck hatte, gegen eine Wand zu laufen. Aber das konnte mich jetzt auch nicht mehr aufhalten, den Eingang zur Festhalle bereits im Blickfeld, lief ich weiter und einen Moment später durch das Tor in die Festhalle.
15:17:03 – km 41,195 Marathon (04:31:24)
Das Gefühl beim Betreten der Festhalle war unglaublich, extrem emotional, unbeschreiblich. In diesem Moment fielen alle Strapazen der vergangenen viereinhalb Stunden von mir ab und die letzten Meter bis ins Ziel habe ich unglaublich genossen.
Die ganzen Vorbereitungen, das ganze Training – hierfür hatte ich das alles auf mich genommen!
Sekunden später hatte ich es geschafft. Ich überquerte in einer Zeit von 04:31:24 die Ziellinie beim BMW Frankfurt Marathon 2013 – meinem ersten Marathon überhaupt!
Ich war überglücklich und total happy es geschafft zu haben. Ein winziges bisschen getrübt wurde der Zieleinlauf nur durch – wie sollte es auch anders sein – ein paar Staffelläufer, die während des Zieleinlaufs direkt vor meiner Nase herumsprangen und so jubelten, als ob jeder von ihnen gerade die gesamten 42 Kilometer vom Marathon und nicht nur je knapp 10km gelaufen sei. Aber das war, noch bevor ich die Festhalle auf der anderen Seite wieder verließ, schon wieder vergessen, denn es galt direkt die nächste Herausforderung zu meistern: die Treppen hinunter zum Ausgang, wo mir die Finisher-Medaille umgehängt wurde.
Nach dem Marathon ist vor dem Marathon?
Jetzt, eine Woche nach der erfolgreichen Teilnahme am BMW Frankfurt Marathon denke ich sicherlich anders darüber, als direkt oder in den Tagen kurz nach dem Marathon. Zwar blieb ich von den zuvor erwarteten Gelenkschmerzen verschont und der Muskelkater war weit erträglicher, als ich angenommen hatte, aber im ersten Moment denkt man „nein, nie wieder“, wenn man darauf angesprochen wird, ob die nächste Marathon-Teilnahme schon geplant sei. Zu frisch ist die Erinnerung an die Strecke zwischen Kilometer 32 und 39, die so sehr eine Kopfsache und so anstrengend zu bewältigen war.
Im Laufe der Woche wandelte sich diese Einstellung jedoch. Unter anderem bedingt durch die Gespräche mit meinen ebenfalls laufenden Kollegen und Kai (der übrigens in 04:06:46 durchs Ziel lief) tendiere ich mittlerweile immer mehr zu einem „ja, vielleicht, es ist nicht ausgeschlossen, mal sehen…“.
Meine ursprüngliche Grobplanung für das nächste Jahr sah eigentlich eine deutliche Temposteigerung über 10km vor, verbunden mit der Teilnahme an ein paar Wettbewerben. Mittlerweile sind zwei Halbmarathon-Teilnahmen fest eingeplant und eine erneute Teilnahme am BMW Frankfurt Marathon ist auch nicht mehr gänzlich ausgeschlossen…
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